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Andere Wege im Volkswirtschaftslehreunterricht?!

Unter diesem Motto stand am vergangenen Mittwoch, den 21.2.2018 eine Veranstaltung am Studienseminar Oldenburg für das Lehramt BBS. 40 Wirtschaftsreferendarinnen und -referendare der Gruppen 1018 und 0419 nahmen mit ihrer Fachleiterin und ihren Fachleitern an einem von Uwe Brandes organisierten und moderierten Fachseminar Wirtschaft teil, bei dem es um die Frage ging, ob sich mit dem rational handelnden Homo Oeconomicus die aktuellen wirtschaftlichen Phänomene noch erklären lassen oder ob wir bei der Vermittlung von volkswirtschaftlichen Inhalten und Themen statt der ausgetretenen Pfade nicht andere, neue Wege gehen müssen, um zu verstehen, wie die Wirtschaft funktioniert.
Zwei sowohl fachkompetente als auch eloquente Experten hatten sich spontan bereit erklärt, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Zum einen Fabian Komm, Kollege von der BBS Haarentor, der sich schwerpunktmäßig mit fachdidaktischen Fragen der Vermittlung von Volkswirtschaftsinhalten auseinandersetzt und Prof. Niko Paech von der Universität Siegen, der sich als Fachwissenschaftler im Rahmen des Studiengangs „Plurale Ökonomik“ u.a. mit der Postwachstumsökonomie beschäftigt.
So war es im ersten Vortag sehr interessant zu erfahren, auf welche Aspekte bei der Modellierung von Unterrichtssequenzen geachtet werden sollte. Der hierzu von Fabian Komm entwickelte „Leitfaden für die Erstellung von volkswirtschaftlichen Lernsituationen“ wurde mit hoher Fachkompetenz vorgestellt und die Besonderheit der Komplexen Ausgangssituation und der Systematisierungsphase herausgestellt. Die Anwendbarkeit des Leitfadens anhand einer Unterrichtssequenz zum Thema „Inflation in Katalonien“ wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern exemplarisch und plastisch vor Augen geführt. Abschließend wurde eine Anwendungsübung zur Systematisierung der Inhalte mittels eines Vernetzungsdiagramms durchgeführt. Die vielen Beiträge und Fragen seitens des Auditoriums zeigten das hohe Interesse und vor allem die Notwendigkeit, sich mit neuen Wegen der Unterrichtsgestaltung und Inhaltsvermittlung in Volkswirtschaft auseinanderzusetzen.
Im zweiten Teil verblüffte Prof. Niko Paech die Referendarinnen und Referendare mit Ideen wie: Teilen Sie sich den Rasenmäher mit den Nachbarn, verzichten auf den Flug in den Urlaub und anstatt mit dem eigenen Auto zu fahren, nehmen sie lieber das Fahrrad! Mehr noch, er mahnte, dass wir über unsere ökologischen Verhältnisse leben und ein weiteres Wachstum weder wünschenswert noch vertretbar ist.
So postuliert Niko Paech, dass unsere Gesellschaft einen kulturellen und keinen technischen Wandel braucht, um die aktuellen Probleme zu lösen – „Gestaltung durch Reduktion“. Wir müssen deshalb aber nicht zu Maschinenstürmern werden, sondern benötigen weiterhin auch moderne Technik, jedoch nur in Maßen. Ansonsten wären Technologien erforderlich, die menschliche Arbeitskraft nicht ersetzen, sondern maßvoll verstärken. Weiterhin bedarf es einer allmählichen Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf durchschnittlich 20 Stunden. „Dann haben Sie 20 Stunden übrig, um Dinge selbst zu reparieren. Gleichzeitig kann damit die Nutzungsdauer der Güter verdoppelt und der Bedarf halbiert werden.“ Trotz der schon fortgeschrittenen Zeit gab es abschließend noch viele Fragen und Rückfragen, was zeigte, dass auch diese Einführung in die Postwachstumsökonomie durch Prof. Paech auf fruchtbaren Boden fiel.
Insgesamt hat die Veranstaltung gezeigt, dass einerseits die Volkswirtschaftsdidaktik immer noch eine vernachlässigte Fachdidaktik ist und mit dem Leitfaden ein wertvolles und hilfreiches Medium entstanden ist, das den Lehrkräften Rüstzeug bei der Modellierung von volkswirtschaftlichen Lernsituationen an die Hand gibt. Andererseits ist uns allen bewusst geworden, dass die neoklassische Wirtschaftstheorie nicht ausreichend ist, um das Funktionieren der Wirtschaft zu erklären, sondern dass auch hier andere, plurale Erklärungsmodelle bedacht werden müssen und Themen wie Ökosozialprodukt, Nachhaltigkeit und Postwachstum nicht nur als Appendix im Volkswirtschaftslehreunterricht behandelt werden dürfen.